Evidenzbasierte Zahnmedizin (EbZ)

ADOPTED by FDI General Assembly September, 2016 in Poznań, Poland

Kontext

Zahnärzte tragen die Verantwortung, sich bei der Ausübung des zahnmedizinischen Berufs von der Evidenz leiten zu lassen und sicherzustellen, dass die Grundlage für die informierte Zustimmung und Behandlung der Patienten die besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse widerspiegelt, die im Einklang mit der klinischen Erfahrung des Zahnarztes und den Wünschen des Patienten angewandt werden. Zahnärzte sind auch dafür verantwortlich, Techniken und Technologien zu vermeiden, die sich als unwirksam, unsicher und unethisch herausgestellt haben.

Die zahnmedizinische Berufsausübung sollte auf einem Engagement gegenüber solider wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie einer ethischen Verpflichtung zum Schutze der Patientengesundheit beruhen. Durch die schnelle Entwicklung der Wissenschaft und Technik stehen Informationen heutzutage schneller zur Verfügung. Dies ist für Zahnärzte eine Herausforderung, diese neuen Informationen einzuholen, zu verstehen, zu bewerten und in ihre tägliche Behandlung zu integrieren.

Um diesen Anforderungen zu entsprechen, sollten Zahnärzte ermutigt werden, einen evidenzbasierten Ansatz in ihrer klinischen Praxis und bei der Mundgesundheitsversorgung zu verfolgen. Dieser ist allgemein bekannt als evidenzbasierte Zahnmedizin (EbZ) und wird von der FDI unterstützt, da sie den Zahnärzten hilft, den besten verfügbaren Kenntnisstand auszulegen und in der täglichen Praxis umzusetzen. Es wird festgestellt, dass es zurzeit ungenügend Evidenz gibt, um alle Aspekte der Mundgesundheitsversorgung zu leiten und dass Wissenslücken existieren.

Anwendungsbereich

Ziel der evidenzbasierten Zahnmedizin ist es, den Zahnärzten zu helfen, ihren Patienten die bestmögliche Behandlung anzubieten. Dieser systematische Prozess erfordert die Identifizierung einer klinischen Fragestellung; die Erlangung der geeignetsten und verfügbaren Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Literatur gemäß etablierter Eignungskriterien; die Qualitätsbeurteilung dieser Nachweise; und die nachfolgende Nutzung dieser Erkenntnisse für klinische Entscheidungen in der Praxis. Die Evidenz ist daher mit der klinischen Erfahrungen und sonstige Faktoren zu spezifischen Patientenanforderungen und -wünschen in Einklang zu bringen.1

Definitionen

Die EbZ ist ein Konzept in der Mundgesundheitsversorgung, das eine umsichtige Integration folgender Elemente erfordert :

  • systemische Beurteilungen klinisch relevanter, wissenschaftlicher Erkenntnisse in Bezug auf den medizinischen und zahnmedizinischen Zustand, gestützt auf
  • die klinische Erfahrung des Zahnarztes und
  • die Behandlungsanforderungen und -wünsche des Patienten.1

Die verfügbaren Nachweise werden je nach dem spezifischen Thema und der Dringlichkeit unterschiedlich ausfallen. Einige medizinische Gebiete verfügen über eine kleine oder gar keine Evidenzbasis. Schnelle Prüfungen und klassische systematische Auswertung sind die Grundlage der Entscheidungsfindung in der Gesundheitsversorgung, unabhängig davon, ob sie bereits existieren oder spezifisch entwickelt wurden, um in eine neue Politik oder in Praxisrichtlinien einzufließen. Eine klassische systematische Prüfung bedient sich systematischer und expliziter Methoden zur Identifizierung, Auswahl, kritischer Bewertung, Extraktion und Analyse von Daten aus der relevanten Forschung.2 Eine schnelle Prüfung ist eine Art Wissenszusammenfassung, in der Elemente der systematischen Prüfungsverfahren vereinfacht oder ausgelassen werden, um Informationen rechtzeitig zu liefern.3 Die aktuellen Systeme und Normen zur Beurteilung der Evidenzqualität (d. h. das Ausmaß, in dem die Einschätzungen aus klinischen Studien eine Entscheidung, Empfehlung oder Politik unterstützen) und zur Einstufung der Empfehlungen unterstreichen die Notwendigkeit, die größte Auswahl an Studiendesigns je nach der zu fällenden Entscheidung zu berücksichtigen.4 Auf diese Weise können wertvolle Informationen von Behörden, Wirtschaftsanalysen, nationalen oder regionalen Registern bei dem Verfahren der Formulierung von Empfehlungen dienlich sein.4,5

Grundsätze

Das EbZ-Verfahren umfasst „die sorgfältige, explizite und vernünftige Nutzung der aktuellen besten wissenschaftlichen Erkenntnisse bei der Entscheidungsfindung über die Behandlung individueller Patienten. Evidenzbasierte Zahnmedizin bedeutet, individuelle klinische Erfahrung mit der besten verfügbaren, externen klinischen Erkenntnis aus systematischer Suche zu integrieren.”4

Die EbZ liefert weder ein Patentrezept, das Zahnärzte befolgen müssen noch etabliert sie einen Versorgungsstandard.

Stellungnahme

Die FDI unterstützt:

  • Den EbZ-Ansatz, um Zahnärzten dabei zu helfen, die besten verfügbaren Erkenntnisse in der tagtäglichen Berufsausübung auszulegen und anzuwenden.
  • Das EbZ-Konzept, das sich durch die besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse entwickelt hat.
  • Die Integration der Grundsätze der evidenzbasierten Zahnmedizin im Zahnstudium und in der zahnmedizinischen Fortbildung.

Die FDI erkennt Folgendes an:

  • Behandlungsempfehlungen sollten vom Zahnarzt für jeden Patienten individuell festgelegt und wissenschaftliche Erkenntnisse sollten zusammen mit der klinischen Erfahrung des Zahnarztes integriert werden. Dies sollte Glauben, Werte und Wünsche des Patienten sowie den kulturellen Kontext des lokalen Umfelds mit berücksichtigen.
  • Zahnärzte, die die Prinzipien der EbZ für die Entwicklung von Leitlinien und Methoden in der klinischen Praxis einsetzen möchten, müssen über die Mittel und Fähigkeiten verfügen, auf die besten verfügbaren, aktuellen klinischen Erkenntnisse für ihre klinischen Entscheidungen zurückgreifen zu können und realisieren, dass die Qualität der verfügbaren Erkenntnisse je nach der klinischen Interessenfrage ganz unterschiedlich ausfallen kann.5
  • Die Umsetzung der evidenzbasierten Zahnmedizin in der täglichen Praxis unterliegt Einschränkungen. Diese Einschränkungen betreffen einen Mangel an Evidenzbasis zu bestimmten klinischen Themen; einen fehlenden Zugang zu evidenzbasierten Informationen; und für viele klinische Fragestellungen einen Mangel an Evidenzbeurteilung und Entwicklung von evidenzbasierter Information in einem für die Zahnärzte nützlichen kompakten Format. Es wird nicht erwartet, dass Zahnärzte alle wissenschaftlichen Nachweise prüfen, um diese in die Praxis einfließen zu lassen. Es ist Sache der führenden Angehörigen des Berufsstandes, Einschränkungen einer wirksamen Implementierung der EbZ zu identifizieren und anzusprechen und sicherzustellen, dass Systeme und Verfahren eingerichtet werden, um eine schnelle und wirksame Verbreitung der Informationen zu gewährleisten, sobald diese bekannt werden. Obwohl wir unvollständige Informationen besitzen, sollen die Leitlinien dieser Stellungnahme Zahnärzte ermutigen, die verfügbare wissenschaftliche Evidenz zu nutzen, gemeinsam mit der klinischen Erfahrung des Zahnarztes und den Behandlungsanforderungen, Werten und Wünschen des Patienten, um sie in die Praxis einfließen zu lassen.

Disclaimer

Die Informationen in dieser Stellungnahme basieren jeweils auf dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand. Sie können so ausgelegt werden, dass sie existierende kulturelle Sensibilitäten und sozioökonomische Zwänge widerspiegeln.

Literaturnachweise

  1. Definition of Evidence-Based Dentistry (Trans.2001:462), in ADA Policy Statement on EvidenceBased Dentistry.
  2. Green S, Higgins J, Alderson P, Clarke M, Mulrow C, Oxman A. Chapter 1-Introduction. In Cochrane handbook for systematic reviews of interventions. Edited by Higgins J, Green S. West Sussex, England: The Cochrane Collaboration and John Wiley 2008. Cochrane Collaboration
  3. Khangura S, Konnyu K, Cushman R, Grimshaw J, Moher D. Systematic Reviews. 2012 Feb 10:1:10 PMID 22587960
  4. Guyatt GH, Oxman AD, Kunz R, Vist GE, Falck-Ytter Y, Schünemann HJ. 2008. GRADE Working Group. What is "quality of evidence" and why is it important to clinicians? BMJ. 336 (7651):995-8.
  5. Sackett DL, Rosenberg WMC, Gray JAM, Haynes RB, Richardson WS. 1996. Evidence based medicine: what it is and what it isn't. BMJ 312: 71–2.

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