Infektionsprävention und Infektionskontrolle in der zahnärztlichen praxis

ADOPTED by FDI General Assembly September, 2009 in Singapore, Singapore
REVISED by FDI General Assembly September, 2019 in San Francisco, United States

Kontext

Zwar bleiben die Grundprinzipien der Infektionsprävention und der Infektionskontrolle unverändert, allerdings erfordern neue Technologien, Materialien, Geräte und aktualisierte Daten die kontinuierliche Evaluierung der bisher geltenden Kontrollpraktiken1 sowie eine ständige Weiterbildung der zahnmedizinischen Profession.

Geltungsbereich

Die vorliegende Stellungnahme beschreibt die Grundprinzipien der Infektionsprävention und der Infektionskontrolle. Detailliertere Informationen finden sich in der Literaturliste und in den einschlägigen Rechtsvorschriften.

Definitionen

Infektionsprävention und –kontrolle (IPC): Auf wissenschaftlichen Grundlagen beruhende praktische Lösung, um Schäden durch Infektionen von Patienten und Gesundheitspersonal zu verhindern2

Standard-Vorsichtsmaßnahmen: Leitlinien für die Prävention infektiöser Krankheiten einschließlich nosokomialer Infektionen. Zu den Standard-Vorsichtsmaßnahmen gehört eine Kombination aus allgemein anerkannten Sicherheitsvorschriften und Schutzmaßnahmen für den Umgang mit Körpersubstanzen für alle Patienten ungeachtet ihrer Diagnose oder ihres möglichen Infektionsstatus.3

Grundsätze

Es liegt in der Verantwortung des Zahnarztes, ein Protokoll zu erstellen, das die Weiterverbreitung von Infektionen seiner Patienten und seiner Mitarbeiter in der zahnärztlichen Praxis vermeidet oder begrenzt und ihn auch selbst vor Infektionen schützt. Dies lässt sich durch die Einhaltung empfohlener Verfahren der Infektionskontrolle erreichen.

Stellungnahme

Die FDI unterstützt die folgenden Auffassungen:

  1. Empfehlungen, Leitlinien und Gesetze sind im Rahmen von Konsultationen mit dem zahnmedizinischen Berufsstand zu entwickeln.
  2. Empfehlungen, Leitlinien und Gesetze mit Auswirkungen auf die in Zahnarztpraxen vorgeschriebenen Standard-Vorsichtsmaßnahmen müssen evidenzbasiert sein oder auf internationalen bewährten Praktiken beruhen, eine angemessene finanzielle Vergütung der entstehenden zusätzlichen Kosten ist vorzusehen.
  3. Örtliche/regionale Zahnärzteverbände sollten in der Öffentlichkeit über die Bedeutung einer guten Infektionskontrolle, die Wirksamkeit solcher empfohlenen Verfahren und somit das signifikant geringe Risiko aufklären, sich bei der zahnmedizinischen Versorgung mit einer durch Blut übertragenen Krankheit zu infizieren.
  4. In der zahnmedizinischen Ausbildung müssen die aktuellen Empfehlungen der Infektionsprävention und der Infektionskontrolle in medizinischen Einrichtungen während des Studiums und während der klinischen Ausbildung vermittelt werden. Dies sollte ein Berichts- und Lernsystem über kritische Vorkommnisse in einer Kultur der Vermeidung von Schuldzuweisungen beinhalten.

Allgemeines

Die Mitglieder des zahnmedizinischen Teams haben die Pflicht, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten im Hinblick auf die Diagnose und die Behandlung von infektiösen und im klinischen Umfeld potenziell übertragbaren Krankheiten auf dem aktuellen Stand zu halten, Standard-Vorsichtsmaßnahmen und gegebenenfalls übertragungsspezifische Maßnahmen entsprechend den Vorgaben zuständiger Behörden zu befolgen und zweckmäßige Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Patienten und sich selbst vor Infektionen zu schützen. Zu diesen Maßnahmen gehören:

  • Umsetzung von Sauberkeitsgeboten und Desinfektion aller exponierten Flächen im Arbeitsumfeld;
  • Befolgen der von zuständigen örtlichen Behörden akzeptierten und/oder empfohlenen Protokolle für Dekontamination, Desinfektion, Sterilisation und Aufbereitung wiederverwendbarer chirurgischer Instrumente sowie für die Entsorgung klinischer Abfälle4;
  • Durch Verwendung geeigneter Verpackungen mit hohen Sperreigenschaften sicherstellen, dass sterile Instrumente vor Rekontamination geschützt werden;
  • Verwendung von Einmalinstrumenten, wenn eine Sterilisation nicht möglich ist5;
  • Besondere Sorgfalt beim Umgang mit scharfen/spitzen Instrumenten; nach Verwendung sind sie aus dem Arbeitsbereich zu entfernen und in einem eindeutig gekennzeichneten punktionssicheren Behälter zu entsorgen;
  • Anwendung der Grundregeln der Desinfektion für Vorrichtungen, Prothesen, Abdrücke, Instrumente und andere Artikel, die dem Dentallabor zugestellt oder vom Labor geliefert werden;
  • Biopsie-Proben sind mit besonderer Sorgfalt zu behandeln und entsprechend den empfohlenen Leitlinien in absolut dichten Behältern aufzubewahren.

Zahnmedizinisches Personal

Die FDI fordert zahnmedizinisches Personal nachdrücklich auf:

  • sich entsprechend der durchzuführenden Behandlung mechanisch zu schützen (chirurgische Gesichtsmasken, Handschuhe, Augenschutz, Oberbekleidung);
  • sich entsprechend den aktuellen Leitlinien der zuständigen Behörden in sinnvoller Weise gegen Infektionskrankheiten impfen zu lassen;
  • sofort zweckmäßige Maßnahmen der Postexpositionsprophylaxe nach berufsbedingter Exposition gegenüber durch Blut übertragene und andere Krankheitserreger einschließlich HBV, HCV und HIV6;
  • persönlich auf Anzeichen und Symptome zu achten, die den Rückschluss auf eine mögliche, durch Blut übertragene oder eine andere infektiöse Krankheit erlauben, und eine entsprechende Diagnose durchzuführen. Die FDI lehnt alle gesetzgeberischen Maßnahmen ab, die eine universelle Untersuchung von zahnmedizinischem Personal auf durch Blut übertragene Krankheitserreger zwingend vorschreibt;
  • sich medizinisch beraten zu lassen, ob bei Diagnose einer durch Blut übertragenen Infektion weiter praktiziert werden kann, und die geltenden gesetzlichen Vorschriften zu beachten.

Patient

Die FDI ist der Auffassung, dass alle Patienten mit infektiösen Krankheiten ihren Status im Rahmen der Anamnese offenlegen sollen. Es ist unethisches Verhalten, Patienten eine zahnmedizinische Versorgung nur deshalb zu verweigern, weil sie an einer durch Blut übertragenen Erkrankung leiden.

Die FDI fordert zahnmedizinisches Personal nachdrücklich auf:

  • aufmerksam gegenüber Anzeichen und Symptomen zu sein, die den Rückschluss auf eine mögliche, durch Blut übertragene oder andere infektiöse Krankheit bei ihren Patienten erlauben;
  • allen Patienten mit einer entsprechenden Anamnese oder deren Gesundheitszustand den Verdacht einer Infektion nahelegt, den Rat zu geben, sich in einem unterstützenden Umfeld unter Wahrung ihrer Privatsphäre und der sensiblen Thematik entsprechend untersuchen und behandeln zu lassen;
  • ein zweckmäßiges Protokoll in Anwendung entsprechender geltender einschlägiger Rechtsvorschriften für den vertraulichen Umgang mit Informationen über Patienten verfügbar zu haben;
  • ihre Patienten über den vertraulichen Umgang mit ihren Daten in allen Einrichtungen zu informieren, in denen eine zahnmedizinische Versorgung erfolgt;
  • Informationen über den Krankheitsstatus von Patienten an anderes medizinisches Personal weiterzugeben, soweit dies einschlägige Rechtsvorschriften erlauben und der Patient dazu seine Einwilligung gegeben hat.

Disclaimer

Die Informationen in dieser Stellungnahme basieren jeweils auf dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand. Sie können so ausgelegt werden, dass sie existierende kulturelle Sensibilitäten und sozioökonomische Zwänge widerspiegeln.

Literaturhinweise

  1. Centre for Disease Control, Infection Prevention & Control in Dental Settings, 2019. Available at: http://www.cdc.gov/OralHealth/infectioncontrol/index.html
  2. World Health Organisation, About Infection Control, 2019. Available at: https://www.who.int/infection-prevention/about/ipc/en/. Accessed 16 August 2019
  3. Summary of Infection Prevention Practices in Dental Settings: Basic Expectations for Safe Care. US Department of Health and Human Services, Centers for Disease Control and Prevention, National Center for Chronic Disease Prevention and Health Promotion, Division of Oral Health; März 2016.
  4. Reprocessing Medical Devices in Health Care Settings: Validation Methods and Labeling U.S. Department of Health and Human Services. Food and Drug Administration; 17. März 2015.
  5. FDI-Stellungnahme „Nachhaltigkeit in der Zahnmedizin“ 2017.
  6. Aktualisierte Fassung der U.S. Public Health Service guidelines for the management of occupational exposures to HIV and recommendations for postexposure prophylaxis.(2013)

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